Donnerstag, 27. Januar 2005

An die Schwaben

Ihr lieben Schwaben insgesamt,
Wenn noch ein Fünklein in euch flammt
Von Ahnenglut, so höret mich;
Dann biderb, frei und deutsch bin ich.

Unüberwindlich groß und stark,
In ihrer Knochen Löwenmark,
War eurer großen Väter Art;
Jetzt seid ihr zärtlich, winzig, zart,
Tragt statt der Waffe Degelein

Mit Bändern dran, gar hübsch und fein,
Und sprecht mit eurem lieben Sohn
Franzosensprach im Nasenton.
Ihr lauft verbuhlt um eure Weiber,
Wie Maulwurf, Sperling oder Täuber.

Wer Komplimente schneiden kann,
Wer schmeichlen, kriechen, heuchlen kann,
Der ist bei euch ein braver Mann.
Ihr haschet nur nach Rauch und Dunst
Und nicht nach Wissenschaft und Kunst;

Drum gilt bei euch der Gauch und Tropf
Mehr als der Weise und der Kopf.
Der Jüngling sitzt beim Wein so kalt,
Als wär er achtzig Jahre alt
Und säße auf der Alpen Höh

Mit bloßem A . . . im ew'gen Schnee.
Ist's Wunder, wenn man euch entehrt,
Als wenn ihr Yahoo wärt?
Schnipst euch der Sachs und Brenne doch
Verächtlich unters Nasenloch.

O denkt einmal im Ernste nach,
Was einst Bohemus von uns sprach:
D e r S c h w a b e w i r d e r s t s p ä t g e s c h e i t.
Ach denkt daran, 's ist hohe Zeit.
Seid klug, schon vor den vierzig Jahren,

Wie's eure braven Väter waren.
Wie schön, wenn einst der Enkel spricht:
Die Narrenkappe paßt mir nicht.


Christian Friedrich Daniel Schubart schrieb dieses Gedicht 1775. Er war schwäbischer Freiheitskämpfer und ein Weggefährte von Friedrich Schiller. Schiller besuchte ihn als Gefangenen auf dem Hohen Asperg.

Mehr über die Biographie von Schubart lesen sie bei
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