Dienstag, 3. Januar 2006

Die Frauen sind oft fromm und still

Die Frauen sind oft fromm und still,
wo wir ungebärdig toben,
und wenn sich eine Stärken will,
dann blickt sie stumm nach oben.
Ihr' Kraft und Stärke ist gering,
ein Lüftchen kann sie knicken,
doch ist's ein eignes, starkes Ding,
wenn sie gen Himmel blicken.

Oft hab' ich selbst mit Aufgesehn,
sah die Mutter so nach oben,
ich sah nur graue Wolken gehn
und blaue Luft da droben,
sie aber, wenn sie niedersah,
war voller Kraft und Hoffen,
mir ist, die Frauen hie und da
sehn noch den Himmel offen.



Julius Sophus Felix Dahn
Geboren am 9.2.1834 in Hamburg; gestorben am 3.1.1912 in Breslau.

Sein bekanntestes Werk ist wohl "Ein Kampf um Rom". Mehr über Felix Dahn steht bei Gutenberg.Spiegel.de und bei Wikipedia.

Samstag, 31. Dezember 2005

Winterlied

Der Winter hat mit kalter Hand
Die Pappel abgelaubt,
Und hat das grüne Maigewand
Der armen Flur geraubt;
Hat Blümchen, blau und rot und weiß,
Begraben unter Schnee und Eis.

Doch, liebe Blümchen, hoffet nicht
Von mir ein Sterbelied.
Ich weiß ein holdes Angesicht,
Worauf ihr alle blüht.
Blau ist des Augensternes Rund,
Die Stirne weiß, und rot der Mund.

Was kümmert mich die Nachtigall,
Im aufgeblühten Hain?
Mein Liebchen trillert hundertmal
So süß und silberrein;
Ihr Atem ist, wie Frühlingsluft,
Erfüllt mit Hyazinthenduft.

Voll für den Mund, und würzereich,
Und allerfrischend ist,
Der purpurroten Erdbeer gleich,
Der Kuß, den sie mir küßt.
O Mai, was frag ich viel nach dir?
Der Frühling lebt und webt in ihr.


Gottfried August Bürger
(auch: Jocosus Hilarius)

Geboren am 31.12.1747 in Molmerswende bei Quedlinburg; gestorben am 8.6.1794 in Göttingen.

Mehr über diesen Dichter und Schöpfer des Baron von Münchhausen lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Wikipedia zeigt eine ausführliche Vita sowie einen Link zur kritischen Rezension von Friedrich Schiller.

Freitag, 30. Dezember 2005

Der Schwester zu Silvester

Habe ein heitres, fröhliches Herz
Januar, Februar und März,
Sei immer mit dabei
In April und Mai,
Kreische vor Lust
In Juni, Juli, August,
Habe Verehrer, Freunde und Lober
In September und Oktober,
Und bleibe meine gute Schwester
bis zum Dezember und nächsten Silvester.

Theodor Fontane wurde am 30.12.1819 in Neuruppin geboren; er starb am 20.9.1898 in Berlin.

Mehr Werke gibt es bei Gutenberg.Spiegel.de und eine äußerst umfangreiche Vita bei Wikipedia.

Donnerstag, 29. Dezember 2005

ADAM

STAUNEND steht er an der Kathedrale

steilem Aufstieg, nah der Fensterrose,

wie erschreckt von der Apotheose,

welche wuchs und ihn mit einem Male

niederstellte über die und die.

Und er ragt und freut sich seiner Dauer

schlicht entschlossen; als der Ackerbauer

der begann, und der nicht wußte, wie

aus dem fertig-vollen Garten Eden

einen Ausweg in die neue Erde

finden. Gott war schwer zu überreden;

und er drohte ihm, statt zu gewähren,

immer wieder, daß er sterben werde.

Doch der Mensch bestand: sie wird gebären.


Rainer Maria Rilke
Geboren am 4.12.1875 in Prag, gestorben am 29.12.1926 in Val-Mont bei Montreux.


Mehr zu Rilke, einem der bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache, finden Sie bei Gutenberg.Spiegel.de und sehr ausführlich, mit vielen weiterführenden Links bei Wikipedia.

Montag, 26. Dezember 2005

Liebesnähe

Lieb' sei ferne,
Ist doch immer da,
Gleich dem Licht der Sterne
Ewig fern und nah.

Schließt Gedanken
Wohl ein Kerker ein?
Glück und Stunden wanken,
Das Gefühl ist mein.

Leuchte, Sonne!
Wandle, frommer Mond!
Meines Busens Wonne
Hoch mit Göttern thront.

Frühling, scheine!
Winter, stürme kalt!
In der Brust dies Eine
Nimmer wird es alt.

Holde Treue,
Weiß und engelrein!
Wie des Himmels Bläue
Bleibt dein lichter Schein.

Sei denn ferne
Liebe, sei sie nah,
Gleich dem Licht der Sterne
Immer ist sie da.


Ernst Moritz Arndt wurde am 26.12.1769 in Groß-Schoritz auf Rügen geboren, er starb am 29.01.1860 in Bonn.

Mehr über Arndt lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de oder sehr ausführlich bei Wikipedia.

Sonntag, 25. Dezember 2005

Uhlands Tod

Zu Tübingen am Neckar,
da steht ein stilles Haus,
da trat beim Sternenlichte,
den Hut tief im Gesichte,
ein bleicher Mann heraus.
Wer weiß, daß du verstummtest?
Dies Haus und ich allein!
Doch morgen wird man trauern
von Memels alten Mauern
bis an den Wasichenstein.

Da schallte von der Brücke
der Burschen strammer Tritt;
sie huben an zu singen,
manch Fräulein von Tübingen
sang in Gedanken mit.

»Ich hatt' einen Kameraden!«
das klang so frisch und voll:
der Bleiche horchte lange,
bis brennend auf die Wange
ihm eine Träne quoll.

»Und ob im Todeskampfe
das deutsche Herz dir brach:
dein Geist wird um uns schweben,
denn deine Lieder leben
bis an den jüngsten Tag.«

Der Mond, der schien so helle,
der aus den Wolken trat,
im Neckar sang es leise,
und fern verklang die Weise:
»Mein guter Kamerad.«


Friedrich Wilhelm Weber

Geboren am 25.12.1813 in Alhausen (bei Driburg, Westfalen); gestorben am 5.4.1894 Nieheim (Kreis Höxter).

mehr gibt es bei Gutenberg.Spiegel.de zu lesen. Oder schauen Sie einmal bei Wikipedia.

Freitag, 23. Dezember 2005

Ach liebste laß uns eilen

Ach liebste laß uns eilen
Wir haben Zeit
Es schadet das verweilen
Uns beyderseit.
Der Edlen Schönheit Gaben
Fliehen fuß für fuß:
Daß alles was wir haben
Verschwinden muß.
Der Wangen Ziehr verbleichet
Das Haar wird greiß
Der Augen Feuer weichet
Die Brunst wird Eiß.
Das Mündlein von Corallen
Wird umgestalt
Die Händ' als Schnee verfallen
Und du wirst alt.
Drumb laß uns jetzt geniessen
Der Jugend Frucht
Eh' wir folgen müssen
Der Jahre Flucht.
Wo du dich selber liebest
So liebe mich
Gieb mir das wann du giebest
Verlier auch ich.



Martin Opitz (auch: Martinus Opitius, Opicius, M. O. v. Boberfeld(t), Pseudonym und Gesellschaftsname: Der Gekrönte)

Geboren am 23.12.1597 in Bunzlau; gestorben am 20.8.1639 in Danzig.

Schon lange her, als dieser Dichter wirkte. Dazu lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de und noch mehr bei Wikipedia. Unter anderem heißt es dort: Opitz wurde von seinen Anhängern Vater und Wiederhersteller der Dichtkunst genannt. Er verfolgte das Ziel, die deutsche Dichtung auf Basis von Humanismus und antiken Formen zu einem Kunstgegenstand höchsten Ranges zu erheben, und es gelang ihm, eine neue Art der Poetik zu schaffen.

Mittwoch, 21. Dezember 2005

Seufzer

Die Nachtigall
Singt überall
Auf grünen Reisen
Die besten Weisen,
Daß ringsum Wald
Und Ufer schallt.

Manch junges Paar
Geht dort, wo klar
Das Bächlein rauschet,
Und steht, und lauschet
Mit frohem Sinn
Der Sängerin.

Ich höre bang'
Im düstern Gang
Der Nachtigallen
Gesänge schallen;
Denn ach! allein
Irr' ich im Hain.


Ludwig Heinrich Christoph Hölty

Geboren am 21.12.1748 in Mariensee bei Hannover; gestorben am 1.9.1776 in Hannover.

Mehr über den Dichter gibt es bei Gutenberg.Spiegel.de zu lesen.

Vom Kirschbaum

Ist alles ganz kahl und still,
nicht mal im Grase sich's regen will,
steht alles geduckt,
klappert im Frost und muckt
mit dem Winter. Der putzt es mit Rauhreif auf,
aber keines gibt was drauf.

Doch im Garten
sagt einer: Ich kann warten.
Ist jemand, du kennst ihn wieder kaum,
so dünn ist er worden: der Kirschenbaum.
Schläft er nicht?
Trau einer dem Wicht!
Heute mittag um eins
gab's mal ein Pröbchen Sonnenscheins:
Darin - ich habe
das deutlich gesehn -
mit seinen Knospen
fingerte der alte Knabe,
ein wenig vorsichtig und geziert,
wie man Badewasser probiert.
Und über seine Runzeln
ging ein Schmunzeln.


Ferdinand (Ernst Albert) Avenarius

Geboren am 20.12.1856 in Berlin, gestorben am 20. oder 22.9.1923 in Kampen/Sylt.

Mehr über Avenarius und seine Werke lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de oder auch bei Wikipedia.

Dienstag, 13. Dezember 2005

Die Launen der Verliebten

Der Käfer saß auf dem Zaun, betrübt;
Er hat sich in eine Fliege verliebt.

Du bist, o Fliege meiner Seele,
Die Gattin, die ich auserwähle.

Heirate mich und sei mir hold!
Ich hab einen Bauch von eitel Gold.

Mein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.

O daß ich eine Närrin wär!
Ein'n Käfer nehm ich nimmermehr.

Mich lockt nicht Gold, Rubin und Smaragd;
Ich weiß, daß Reichtum nicht glücklich macht.

Nach Idealen schwärmt mein Sinn,
Weil ich eine stolze Fliege bin. -

Der Käfer flog fort mit großem Grämen;
Die Fliege ging ein Bad zu nehmen.

Wo ist denn meine Magd, die Biene,
Daß sie beim Waschen mich bediene;

Daß sie mir streichle die feine Haut,
Denn ich bin eines Käfers Braut.

Wahrhaftig, ich mach eine große Partie;
Viel schöneren Käfer gab es nie.

Sein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.

Sein Bauch ist gülden, hat noble Züge;
Vor Neid wird bersten gar manche Schmeißfliege.

Spute dich, Bienchen, und frisier mich,
Und schnüre die Taille und parfümier mich;

Reib mich mit Rosenessenzen, und gieße
Lavendelöl auf meine Füße,

Damit ich gar nicht stinken tu,
Wenn ich in des Bräutgams Armen ruh.

Schon flirren heran die blauen Libellen,
Und huldigen mir als Ehrenmamsellen.

Sie winden mir in den Jungfernkranz
Die weiße Blüte der Pomeranz.

Viel Musikanten sind eingeladen,
Auch Sängerinnen, vornehme Zikaden.

Rohrdommel und Horniß, Bremse und Hummel,
Die sollen trompeten und schlagen die Trummel;

Sie sollen aufspielen zum Hochzeitfest -
Schon kommen die bunt beflügelten Gäst,

Schon kommt die Familie, geputzt und munter;
Gemeine Insekten sind viele darunter.

Heuschrecken und Wespen, Muhmen und Basen,
Sie kommen heran - Die Trompeten blasen.

Der Pastor Maulwurf im schwarzen Ornat,
Da kommt er gleichfalls - es ist schon spat.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam -
Wo bleibt mein liebster Bräutigam? - -

Bim-bam, bim-bam, klingt Glockengeläute,
Der Bräutgam aber flog fort ins Weite.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam -
Wo bleibt mein liebster Bräutigam?

Der Bräutigam hat unterdessen
Auf einem fernen Misthaufen gesessen.

Dort blieb er sitzen sieben Jahr,
Bis daß die Braut verfaulet war.


(Eine wahre Geschichte, nach ältern Dokumenten wiedererzählt und aufs neue in schöne deutsche Reime gebracht)

Heinrich Heine, geboren am 13.12.1797 in Düsseldorf, gestorben am 17.2.1856 in Paris.

Mehr über Heine erfahren Sie bei Gutenberg.Spiegel.de sowie bei Wikipedia.

Mittwoch, 7. Dezember 2005

Schneesturm

Droben schwarze Wolken jagen
Pfeilgeschwind,
Seine schaurig wilden Klagen
Stöhnt der Wind.
Durch verfall'ner Mauer Spalten
Wirbelt Schnee,
Wie von finst'rer Macht gehalten
Starrt der See.
Und kein goldnes Sterngewimmel
Leuchtet mild,
Wie verschlossen dräut der Himmel
Schwarz und wild...
Da zerreißt der Sturm die mächt'ge
Wolkenschicht
Und ein lichter Stern das nächt'ge
Graus durchbricht!
Strahl ins Herz mir, gold'ner Schimmer,
Lind und sacht. –
Seine Sterne leuchten immer –
Drin ist Nacht!


Eugenie Marlitt eigentlich: Eugenie John

Geboren am 5.12.1825 in Arnstadt/Thüringen; gestorben am 22.6.1887 in Arnstadt. Mehr gibt es bei Gutenberg.Spiegel.de zu lesen, gleichfalls bei Wikipedia.

Sie schrieb viel in der "Gartenlaube". Zwei Ausgaben von etwa 1900 zieren auch meinen Bücherschrank. Amüsant zu lesen.
logo

Versblog

Lyrik Reime Sprüche

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Wie mag er aussehen?
Wer hat zum Steuerbogenformular den Text erfunden? Ob...
immo de - 17. Nov, 19:19
Zwei Käfer auf der Mauer
Zwei Käfer auf der Mauer, die Amsel auf der Lauer, die...
immo de - 19. Sep, 09:08
Herbst
Draußen ist's kalt, es herbstelt halt. Das Jahr wird...
immo de - 19. Sep, 07:53
Augen in der Großstadt
Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen, wenn du...
immo de - 21. Dez, 11:01
Seine Hände blieben wie...
Seine Hände blieben wie blinde Vögel, die, um Sonne...
immo de - 4. Dez, 07:52
Schriftsteller
Es ist kein Autor so gering und klein, Der nicht dächt...
immo de - 29. Nov, 15:44
Bin einmal ein Narr gewesen
Bin einmal ein Narr gewesen, Hab geträumet, kurz doch...
immo de - 18. Nov, 09:07
Lampe und Spiegel
»Sie faule, verbummelte Schlampe,« Sagte der Spiegel...
immo de - 17. Nov, 14:24
Wintermorgen
Ein trüber Wintermorgen war's, Als wollt' es gar nicht...
immo de - 13. Nov, 08:05
Die Ordnung
Es hat der Blitz an' Esel derschlag'n, Da hat si' a...
immo de - 11. Nov, 08:17

Status

Online seit 7466 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Nov, 19:19

Credits

powered by Antville powered by Helma


Creative Commons License

xml version of this page
xml version of this page (summary)

twoday.net AGB

Mit Bloglines abonnieren stats3991

aufgelesen
heiter
Schreibwerkstatt
so halt
traurig
zitiert
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren