zitiert

Montag, 24. Januar 2005

Märzveilchen

Hans Christian Andersen
Deutsche Übersetzung : Adelbert von Chamisso

Robert Schumann

Op. 40

Der Himmel wölbt sich rein und blau,

Der Reif stellt Blumen aus zur Schau.

Am Fenster prangt ein flimmernder Flor,

Ein Jüngling steht, ihn betrachtend, davor,

Und hinter den Blumen blühet noch gar

Ein blaues, ein lächelndes Augenpaar,

Märzveilchen, wie jener noch keine gesehn.

Der Reif wird, angehaucht, zergehn.

Eisblumen fangen zu schmelzen an,

Und Gott sei gnädig dem jungen Mann.


Veilchen zeigen sich noch nicht im Garten, aber Schneeglöckchen und Primeln, wenn die leichte Schneeschicht wieder schmilzt.




Andersen schrieb außer seinen weltbekannten Märchen auch einige Gedichte. Mehr dazu lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Montag, 17. Januar 2005

Der Rangstreit der Tiere

"…in vier Fabeln

1.

Es entstand ein hitziger Rangstreit unter den Tieren. Ihn zu schlichten, sprach das Pferd: "Lasset uns den Menschen zu Rate ziehen, er ist keiner von den streitenden Teilen und kann desto unparteiischer sein."

"Aber hat er auch den Verstand dazu?" ließ sich ein Maulwurf hören. "Er braucht wirklich den allerfeinsten, unsere oft tief versteckten Vollkommenheiten zu erkennen."

"Das war sehr weislich erinnert!" sprach der Hamster.

"Jawohl!" rief auch der Igel. "Ich glaube es nimmermehr, daß der Mensch Scharfsichtigkeit genug besitzt."

"Schweigt ihr!" befahl das Pferd. "Wir wissen schon: wer sich auf die Güte seiner Sache am wenigsten zu verlassen hat, ist immer am fertigsten, die Einsicht seines Richters in Zweifel zu ziehen."

2.

Der Mensch ward Richter. - "Noch ein Wort", rief ihm der majestätische Löwe zu, "bevor du den Ausspruch tust! Nach welcher Regel, Mensch, willst du unsern Wert bestimmen?"

"Nach welcher Regel? Nach dem Grade, ohne Zweifel", antwortete der Mensch, "in welchem ihr mir mehr oder weniger nützlich seid."

"Vortrefflich!" versetzte der beleidigte Löwe. "Wie weit würde ich alsdann unter den Esel zu stehen kommen! Du kannst unser Richter nicht sein, Mensch! Verlaß die Versammlung!"

3.

Der Mensch entfernte sich. - "Nun", sprach der höhnische Maulwurf - (und ihm stimmten der Hamster und der Igel wieder bei) - "siehst du, Pferd? Der Löwe meint es auch, daß der Mensch unser Richter nicht sein kann. Der Löwe denkt wie wir."

"Aber aus bessem Gründen als ihr!" sagte der Löwe und warf ihnen einen verächtlichen Blick zu.

4.

Der Löwe fuhr weiter fort: "Der Rangstreit, wenn ich es recht überlege, ist ein nichtswürdiger Streit! Haltet mich für den Vornehmsten oder für den Geringsten; es gilt mir gleichviel. Genug, ich kenne mich!" - Und so ging er aus der Versammlung.

Ihm folgte der weise Elefant, der kühne Tiger, der ernsthafte Bär, der kluge Fuchs, das edle Pferd, kurz, alle, die ihren Wert fühlten oder zu fühlen glaubten.

Die sich am letzten wegbegaben und über die zerrissene Versammlung am meisten murrten, waren - der Affe und der Esel.…"

Heute einmal eine Fabel von Gotthold Ephraim Lessing, dessen Geburtstag sich am 22. Januar zum 276. male jährt.

Diese Geschichte und noch mehr Werke von Lessing lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Sonntag, 16. Januar 2005

Die Welt ist allezeit schön

Im Frühling prangt die schöne Welt
In einem fast smaragdnen Schein.
Im Sommer glänzt das reife Feld
Und scheint dem Golde gleich zu sein.

Im Herbste sieht man als Opalen
Der Bäume bunte Blätter strahlen.

Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Flut und Land.

Ja kurz, wenn wir die Welt aufmerksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön.

Der Dichter Barthold Hinrich Brockes, heute nur noch wenigen bekannt, verstarb heute vor 258 Jahren. Mehr über ihn, wie auch seine Werke, lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Sonntag, 9. Januar 2005

Der Jüngling am Bache.

An der Quelle saß der Knabe,
Blumen wand er sich zum Kranz,
Und er sah sie fortgerissen,
Treiben in der Wellen Tanz.
Und so fliehen meine Tage,
Wie die Quelle, rastlos hin!
Und so bleichet meine Jugend,
Wie die Kränze schnell verblühn!

Fraget nicht, warum ich traure
In des Lebens Blüthezeit!
Alles freuet sich und hoffet,
Wenn der Frühling sich erneut.
Aber diese tausend Stimmen
Der erwachenden Natur
Wecken in dem tiefen Busen
Mir den schweren Kummer nur.

Was soll mir die Freude frommen,
Die der schöne Lenz mir beut?
Eine nur ist's, die ich suche,
Sie ist nah' und ewig weit.
Sehnend breit' ich meine Arme
Nach dem theuren Schattenbild,
Ach, ich kann es nicht erreichen,
Und das Herz bleibt ungestillt.

Komm herab, du schöne Holde,
Und verlaß dein stolzes Schloß!
Blumen, die der Lenz geboren,
Streu' ich dir in deinen Schooß.
Horch, der Hain erschallt von Liedern,
Und die Quelle rieselt klar!
Raum ist in der kleinsten Hütte
Für ein glücklich liebend Paar.

Friedrich Schiller

Mehr über Friedrich Schiller lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de oder bei Wikipedia.

Zum Gedenken an Schillers 200. Todestag am 9. Mai 2005 wurde das gesamte Jahr zum Schillerjahr gekürt. Dazu gibt es eine eigene WebSite mit allen Terminen und Veranstaltungen für das Schillerjahr 2005 ab 12. Januar 2005.

Die Selbstkritik hat viel für sich

Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich:
So hab ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.

Mal etwas anderes, von Wilhelm Busch, der heute vor 97 Jahren verstarb. Wer kennt ihn nicht?

Gefunden bei Gutenberg.Spiegel.de.

Freitag, 7. Januar 2005

Die Fensterrose

Da drin: das träge Treten ihrer Tatzen

macht eine Stille, die dich fast verwirrt;

und wie dann plötzlich eine von den Katzen

den Blick an ihr, der hin und wieder irrt,

gewaltsam in ihr großes Auge nimmt, -

den Blick, der, wie von eines Wirbels Kreis

ergriffen, eine kleine Weile schwimmt

und dann versinkt und nichts mehr von sich weiß

wenn dieses Auge, welches scheinbar ruht,

sich auftut und zusammenschlägt mit Tosen

und ihn hineinreißt bis ins rote Blut -:

So griffen einstmals aus dem Dunkelsein

der Kathedralen große Fensterrosen

ein Herz und rissen es in Gott hinein.

Rainer Maria Rilke

wie so oft gefunden bei Gutenberg.Spiegel.de

Donnerstag, 23. Dezember 2004

Im Schnee

Wie naht das finster türmende
Gewölk so schwarz und schwer!
Wie jagt der Wind, der stürmende,
Das Schneegestöber her!

Verschwunden ist die blühende
Und grüne Weltgestalt;
Es eilt der Fuss, der fliehende,
Im Schneefeld nass und kalt.

Wohl dem, der nun zufrieden ist
Und innerlich sich kennt!
Dem warm ein Herz beschieden ist,
Das heimlich loht und brennt!

Wo, traulich sich dran schmiegend, es
Die wache Seele schürt,
Ein perlend, nie versiegendes
Gedankenbrauwerk rührt!

Gottfried Keller (*19. Juli 1819 in Zürich; † 15. Juli 1890 in Zürich)
gefunden bei gutenberg.spiegel.de

Mittwoch, 22. Dezember 2004

Selbstvergessenheit

nach Li Tai Bo (701-762)

Der Strom - floss,
Der Mond vergoss,
Der Mond vergaß sein Licht - und ich vergaß
Mich selbst, als ich so saß
Beim Weine.
Die Vögel waren weit,
das Leid war weit,
und Menschen gab es keine.


Klabund
(1890-1928)

aus: Klabund. Chinesische Gedichte. Nachdichtungen.

aufgelesen bei Raumwelten

Dienstag, 21. Dezember 2004

Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleuchtet jedes Haus
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
sind so wundervoll beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins weite Feld,
hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
aus des Schnees Einsamkeit
steigt's wie wunderbares Singen -
O du gnadenreiche Zeit!


von Joseph von Eichendorff

Montag, 20. Dezember 2004

Vereinsamt

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?

Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!

Friedrich Nietzsche
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