zitiert

Samstag, 6. Mai 2006

Sommermorgen

Leise träumt die Sommernacht;
bei den kühlen Bronnen
hab' ich dich herangewacht,
erster Hauch der Sonnen.

Gestern in der Abendluft,
als sie untergangen,
blieb von ihrem Gold ein Duft
fern im Westen hangen,

Und er schwebte durch die Nacht
über bis zum Norden,
hat den Osten rot gemacht,
daß es Morgen worden.

Perl' an Perle hängt der Tau
um des Grases Blüten,
und man sieht den Dampf der Au
warme Stunden brüten.

Tiefer schon an Turm und Dach
rückt die Helle nieder,
in den Wipfeln allgemach
wachen auf die Lieder.

Sieh - ein Blitz am Himmel hin!
Durch der Blätter Beben
zittert mir um Wang' und Kinn,
Tag, dein Sonnenweben;

Und ich seh' dein Lichtgespinst
alle Welt umfließen,
wie du mir das Herz durchrinnst,
sonniges Ergießen.

Flutend schlägt mir überm Haupt
Duft und Klang zusammen;
was die Seele hofft und glaubt,
alles steht in Flammen.

Und so viel sie trinken mag,
rauscht vom Himmel nieder;
denn des Lebens voller Tag
strömt allmächtig wieder.


Johann Georg Fischer
Geboren am 15.10.1816 in Groß-Süßen/Württemberg, gestorben am 4.5.1897 in Stuttgart.


Mehr über den Dichter lesen Sie in Gutenberg.Spiegel.de.

Dienstag, 2. Mai 2006

Das süßeste Leben

Lieblich murmelt meines Lebensquelle
Zwischen Rosenbüschen schmeichelnd hin,
Wenn ich eines Fürsten Liebling bin,
Unbeneidet auf der hohen Stelle;
Und von meiner stolzen Marmorschwelle
Güte nicht, die Herzenszauberin
Und die Liebe, aller Siegerin
Flieht zu einer Hütte oder Zelle;

Süßer aber schleicht sie sich davon
Wenn ich unter traurenden Ruinen
Efeugleich geschmiegt an Karolinen

Wehmutlächelnd les im Oberon
Oder bei der milchgefüllten Schale
Bürgers Lieder sing im engen Tale.


Novalis
eigentlich Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg
* 2. Mai 1772 auf Schloss Oberwiederstedt; † 25. März 1801 in Weißenfels

Mehr über Novalis lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de oder bei Wikipedia.

Mittwoch, 19. April 2006

Das Gefühl

Was ist doch ein Gefühl?
Ich kann’s nicht von mir geben;
Es ist ein reg’ Gewühl,
Ein wunderbares Leben.

Wo nichts sich scheiden will,
Wo nichts kann los sich ringen,
Wo nichts sich meiden will,
Keins kann das andre zwingen.

Als Lied will es heraus,
Kein Lied doch kann es singen;
Die Arme breit’ ich aus,
Und kann’s doch nicht umringen.

Ein Rauschen ist’s im Hain,
Drin tausend Blätter beben,
Ein Blühn auf Wies’ und Rain,
Dran tausend Blumen weben.

Ich horche auf ein Blatt,
Ich pflücke eine Blüte;
und fortgerauschet hat
Es immer im Gemüte.


Gustav Theodor Fechner
* 19. April 1801 in Groß Särchen bei Muskau; † 18. November 1887 in Leipzig

Mehr über den Dichter gibt es bei Gutenberg.Spiegel.de und bei Wikipedia zu lesen.

Donnerstag, 6. April 2006

Frühlingslied

Mit geheimnisvollen Düften
Grüßt vom Hang der Wald mich schon,
Über mir in hohen Lüften
Schwebt der erste Lerchenton.

In den süßen Laut versunken
Wall' ich hin durchs Saatgefild,
Das noch halb vom Schlummer trunken
Sanft dem Licht entgegenschwillt.

Welch ein Sehnen! welch ein Träumen!
Ach, du möchtest vorm Verglühn
Mit den Blumen, mit den Bäumen,
Altes Herz, noch einmal blühn.

Emanuel von Geibel
* 17. Oktober 1815 in Lübeck; † 6. April 1884 in Lübeck

Das zitierte Frühlingslied ist weniger bekannt. Ganz anders, ein Lied, das wohl jeder kennt: Der Mai ist gekommen …

Mehr über den Lyriker erfahren Sie bei Gutenberg.Spiegel.de oder bei Wikipedia.

Dienstag, 4. April 2006

Das Lied vom Hemdchen

Die Sonne stand wohl auf
Des Morgens um halber vier.
Sie zog ihr Hemdlein aus
Und hängt es an die Tür.

Herfür trat sie an Strom
Und bad't sich ganz darein,
Am ganzen Leibe schön
Wie eine Perle fein.

Alsdann ging sie von danne
Wohl über Berg und Tal,
Bis daß sie endlich kame
An einen hellgrünen Wald.

Im Wald da floß ein Bächelein,
Das hat gesehen
Ein weiß und rot schön Jungfräulein
Ganz ohne Röcklein stehen.

Da kam ein junger Knab,
Der sprach: »Ei wohl fürwahr,
Du tust dein Hemdlein ab
Beim hellen lichten Tag.«

»Mein Hemdlein kann ich lassen,
Ich war ja ganz allein.
Wenn du willst mit mir spaßen,
Nehm ich mein Hemdelein.«

»Dein Leben will ich dir nehmen«,
So sprach der junge Knab,
»Du sollst mir nimmer buhlen
Wohl mit dem jungen Tag.

Ich halt dich mit den Händen,
Drück tot dein Herzelein,
Daß du magst nimmer wenden
Die Augen zum klaren Schein.«

Als dies die Sonne tat schauen,
Da eilt sie schnell davon
Wohl über Berg und Täler,
Bis sie nach Hause kam.

Sie hängt ihr Hemdelein ab,
Sie hängt ihr Hemdelein um,
Daß wenn mein junger Buhler kommt,
Mich nimmer bringet um.

Nun liegt die Sach ganz klar am Tag,
Die Welt ist Nebels voll,
Kein Kraut, kein Wein geraten mag,
Die Jungfern wissen's wohl.


Bettina von Arnim
* 4. April 1785 in Frankfurt am Main; † 20. Januar 1859 in Berlin

Eine der großen Dichterinnen im deutschen Sprachraum. Mehr steht bei Gutenberg.Spiegel.de und bei Wikipedia.

Montag, 3. April 2006

Abendopfer

Nun sich der Tag geendet,
Mein Herz zu dir sich wendet
Und danket inniglich.
Dein holdes Angesichte
Zum Segen auf mich richte,
Erleuchte und entzünde mich.

Ich schließe mich aufs neue
In deine Vatertreue
Und Schutz und Herze ein.
Die fleischlichen Geschäfte
Und alle finstern Kräfte
Vertreibe durch dein Nahesein.

Daß du mich stets umgibest,
Daß du mich herzlich liebest
Und rufst zu dir hinein,
Daß du vergnügst alleine,
so wesentlich, so reine,
Laß früh und spät mir wichtig sein!

Ein Tag, der sagt dem andern,
Mein Leben sei ein Wandern,
Zur großen Ewigkeit.
O Ewigkeit, so schöne,
Mein Herz an dich gewöhne,
Mein Heim ist nicht in dieser Zeit.


Gerhard Tersteegen

* 25. November 1697 in Moers; † 3. April 1769 in Mülheim an der Ruhr

Ein Dichter und Schöpfer von Kirchenliedern. Wir kennen alle sein wohl bekanntesten Lieder: "Ich bete an die Macht der Liebe" und "Jauchzet ihr Himmel, frohlocket ihr Engel".

Mehr gibt es wie immer bei Gutenberg.Spiegel.de und bei Wikipedia.

Donnerstag, 30. März 2006

Die Liebe ist nicht geliebt

Die Lieb' ist nicht geliebt - o Lieb', so lehr' mich lieben
Mit Seel' und Geist und Sinn und allen Herzenstrieben;
Nichts kann ich ohne dich als nur das Böse üben:
Was gut in mir ist dein.
Die Lieb' ist nicht geliebt! Wer faßt der Torheit Größe,
Des Undanks tiefe Schuld, unheil'ger Armut Blöße?
So träg und kalt das Herz - o milder Jesus, flöße
Mir Lieb' um Liebe ein.


Luise Hensel

Geboren am 30.03.1798 in Linum bei Fehrbellin, gestorben am 18.12.1876 in Paderborn.

Luise Hensel zählt zu den Romantikerinnen mit ausgeprägter Religiosität. Ebenso schuf sie zahlreiche Liedtexte. Das bekannteste Lied oder Kindergebet, welches wohl jeder kennt, lautet: "Müde bin ich, geh zur Ruh …"

Gutenberg.Spiegel.de bietet mehr über die Dichterin, ebenso Wikipedia.

Montag, 27. März 2006

Zwei Wünsche.

Ach, zwei Wünsche wünscht' ich immer
Leider immer noch vergebens.
Und doch sind's die innig-frommsten,
Schönsten meines ganzes Lebens!

Daß ich alle, alle Menschen
Könnt' mit gleicher Lieb' umfassen,
Und daß Ein'ge ich von ihnen
Morgen dürfte hängen lassen.


Adolf Glaßbrenner

(auch: A. Brennglas; eigentlich: Georg Adolph Glasbrenner)

Geboren am 27.3.1810 in Berlin; gestorben am 25.9.1876 in Berlin.

Glasbrenner war ein Spötter und Satiriker. Dafür erhielt er auch Berufsverbot. Für die damalige Zeit nichts ungewöhnliches.

Mehr über ihn steht in Gutenberg.Spiegel.de.

Freitag, 24. März 2006

Eheliche Gutenacht

Gute Nacht!
Unser Taglauf ist vollbracht,
Goldne Sternlein äugeln wieder
Von des Himmels Zinne nieder;
Und des Mondes Scheibe lacht,
Gute Nacht!

Zum Klavier,
Herzensweibchen, eilen wir! –
Um ins Goldgeweb' zu spielen,
Was wir für einander fühlen;
Ich mit dir und du mit mir,
Am Klavier.

Gottes Ruh’
Säuselt uns vom Himmel zu;
Bringt uns der Empfindung Fülle,
Zärtlichkeit und Herzensstille,
Ach ich fühle sie wie du
Gottes Ruh’.

O gewiß, Welt,
Welt du bist ein Paradies;
Wenn wir schon im Erdenleben
Liebe nehmen, Liebe geben; -
Welt, so bist du uns gewiß
Paradies.

Schimmernd fällt
Unsre Thrän' dem Herrn der Welt.
Ach! dem Stifter unsrer Ehe
Flammt der Dank zur fernsten Höhe! –
Sieh, die Zähre, Herr der Welt,
Wie sie fällt! -

Gute Nacht!
Sieh den Mond in stiller Pracht
Uns mit goldenen Strahlen winken,
Um in deinen Arm zu sinken,
Weib, zur Wonne mir gemacht. –
Gute Nacht!


Christian Friedrich Daniel Schubart
Geboren am 24.3.1739 in Obersontheim; gestorben am 10.10.1791 in Stuttgart.

Einer der großen schwäbischen Dichter, von Schiller verehrt und im Kerker auf dem Hohen Asperg besucht. Sein Landesherr schickte ihn 10 Jahre ohne Urteil in den Kerker. Er liebte die Freiheit - in den Augen des Herzogs aber eine zu "freche Gosch".

Mehr über Schubart lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de und bei Wikipedia sehr ausführlich.

Mittwoch, 22. März 2006

Guter Rat

Geschieht wohl, daß man einen Tag
Weder sich noch andre leiden mag,
Will nichts dir nach dem Herzen ein;
Sollts in der Kunst wohl anders sein?
Drum hetze nicht zur schlimmen Zeit,
Denn Füll und Kraft sind nimmer weit:
Hast in der bösen Stund geruht,
Ist dir die gute doppelt gut.


Johann Wolfgang von Goethe

* 28. August 1749 in Frankfurt am Main als J. W. Goethe; † 22. März 1832 in Weimar.

Lesen Sie zu Goethes Schaffen und Leben bei Wikipedia. Über 500 Gedichte und weitere Werke finden Sie bei Literaturnetz.org.
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