Dienstag, 1. Februar 2005

Die Beiden

Sie trug den Becher in der Hand,
- Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -
So leicht und sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.

So leicht und fest war seine Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, daß es zitternd stand.

Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzuschwer:
Denn beide bebten sie so sehr,
Daß keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.


Hugo von Hofmannsthal wurde am 1. Februar 1874 in Wien geboren.

Er schrieb zahlreiche Librettis, unter anderem für Richard Strauss zur Oper "Der Rosenkavalier". Zugleich war er Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Mehr Gedichte und Werke finden Sie bei sbc.edu oder literature.at .

Montag, 31. Januar 2005

Jasminenstrauch

Grün ist der Jasminenstrauch
Abends eingeschlafen,
Als ihn mit des Morgens Hauch
Sonnenlichter trafen,
Ist er schneeweiß aufgewacht:
"Wie geschah mir in der Nacht?"
Seht, so geht es Bäumen,
Die im Frühling träumen.


Friedrich Rückert, ein heute leider nur noch weniger bekannter Poet, ist heute vor 139 Jahren verstorben.

Seine Gedichte sind "blumig", zart. Er neigte aber auch zu Spott und Zynismus.

Wie viele Dichter dieser Epoche lebte er auch zeitweise in Stuttgart. Mehr zu seiner Biographie lesen Sie bei Wikipedia.

Sonntag, 30. Januar 2005

Die Weiber von Winsperg

Der erste Hohenstaufen, der König Konrad, lag
mit Heeresmacht vor Winsperg seit manchem langen Tag;
der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest,
die unverzagten Städter, die hielten es noch fest.

Der Hunger kam, der Hunger! das ist ein scharfer Dorn;
nun suchten sie die Gnade, nun fanden sie den Zorn.
"Ihr habt mir hier erschlagen gar manchen Degen wert,
und öffnet ihr die Tore, so trifft euch doch das Schwert."

Da sind die Weiber kommen: "Und muß es also sein,
gewährt uns freien Abzug, wir sind vom Blute rein."
Da hat sich vor den Armen des Helden Zorn gekühlt,
da hat ein sanft Erbarmen im Herzen er gefühlt.

"Die Weiber mögen abziehn, und jede habe frei,
was sie vermag zu tragen und ihr das Liebste sei!
Laßt zieh'n mit ihrer Bürde sie ungehindert fort!"
Das ist des Königs Meinung, das ist des Königs Wort.

Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut,
da hat ein selt'nes Schauspiel vom Lager man geschaut:
Es öffnet leise, leise sich das bedrängte Tor,
es schwankt ein Zug von Weibern mit schwerem Schritt hervor.

Tief beugt die Last sie nieder, die auf dem Nacken ruht,
sie tragen ihre Eh'herrn, das ist ihr liebstes Gut.
"Halt an die argen Weiber!" ruft drohend mancher Wicht;
Der Kanzler spricht bedeutsam: "Das war die Meinung nicht."

Da hat, wie er's vernommen, der fromme Herr gelacht:
"Und war es nicht die Meinung, sie haben's gut gemacht;
gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht,
und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht."

So war das Gold der Krone wohl rein und unentweiht.
Die Sage schallt herüber aus halbvergess'ner Zeit.
Im Jahr elfhundertvierzig, wie ich's verzeichnet fand,
galt Königswort noch heilig im deutschen Vaterland.


Heute vor 224 Jahren wurde Adelbert von Chamisso (eigentlich: Louis Charles Adélaïde de Chamisso de Boncourt) geboren. Eigentlich Franzose, floh er der französischen Revolution, stand später in Preußens Diensten. Er war Offizier, Weltreisender, Denker und Literat. Mehr über Chamisso finden Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Eines seiner Gedichte widmete er den Weibern von Weinsberg (der Ort liegt bei Heilbronn und ist von der Autobahn zu sehen). Außer einem guten Tropfen Wein bietet Weinsberg geschichtsträchtige Sagen, eben die Weibertreu, die Weiber von Weinsberg.

Schon Goethe beschrieb in Götz von Berlichingen das Weindorf Weinsberg.

Samstag, 29. Januar 2005

Weihnachtsbusen

und weitere Erotische Literatur gibt es auch nach Weihnachten immer noch im Literatur-Café Stuttgart.

Aber nicht nur deshalb lohnt ein Blick dorthin. News, Links, Besprechungen - alles für den "Bücherwurm".

Spaziergang nach Syrakus

heißt der Titel eines ungewöhnlich spannenden Buches von 1803. In der Tat: ein "Spaziergang" von Leipzig bis Syrakus und zurück, mit Umwegen und Abenteuern. Der Autor, Johann Gottfried Seume wurde heute vor 242 Jahren geboren.

Wundervolle, mitreißende Beschreibung der Landschaften. Überhaupt war Seume schon viel in der Welt herum gekommen: USA, Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz, Polen Russland. Es lohnt, einmal "alte" Literatur zu lesen, besonders, wenn sie kostenlos ist, wie das vorgestellte Buch in Gutenberg.Spiegel.de.

Lesen Sie einmal, wie andere über dieses Buch denken: so karl vom Tangoblog.

Freitag, 28. Januar 2005

Kunst des Rhythmus

Anekdote aus dem Leben von Adalbert Stifter, der am 28.1.1868 verstarb.

Wie anderswo, so hatte man damals auch auf dem Gymnasium in Kremsmünster die Schüler Reime anfertigen lassen, wobei die Verse des jungen Stifter als die besten der Klasse vorgelesen wurden. Einmal aber ereignete es sich, daß die Musterverse den Namen eines anderen trugen und trotzdem von Stifter stammten. Und das geschah so: ein Mitschüler, der Träger hieß, brachte die vierfüßigen Jamben, die sie als Aufgabe gestellt bekamen, nicht zusammen und wandte sich darum im letzten Augenblick an Stifter. - "Ja, aber das läßt sich doch nicht nur so hinschreiben," meinte dieser, "ich bin gestern schier den ganzen Tag darüber gesessen, aber ich probier's, muß halt recht einfach werden." - Mit diesen Worten setzte er sich auf die Türstufen und warf die Verse in fliegender Hast aufs Papier. - Am nächsten Tag erschien der Professor mit den korrigierten Heften, lächelte Stifter an und sagte: "Schaut, diesmal ist der Träger der beste, der Stifter hat mir ein bissel zu viel gekünstelt."

Aufgelesen bei Gutenberg.Spiegel.de, dort können Sie auch mehr über sein Leben und seine Werke erfahren.

Donnerstag, 27. Januar 2005

An die Schwaben

Ihr lieben Schwaben insgesamt,
Wenn noch ein Fünklein in euch flammt
Von Ahnenglut, so höret mich;
Dann biderb, frei und deutsch bin ich.

Unüberwindlich groß und stark,
In ihrer Knochen Löwenmark,
War eurer großen Väter Art;
Jetzt seid ihr zärtlich, winzig, zart,
Tragt statt der Waffe Degelein

Mit Bändern dran, gar hübsch und fein,
Und sprecht mit eurem lieben Sohn
Franzosensprach im Nasenton.
Ihr lauft verbuhlt um eure Weiber,
Wie Maulwurf, Sperling oder Täuber.

Wer Komplimente schneiden kann,
Wer schmeichlen, kriechen, heuchlen kann,
Der ist bei euch ein braver Mann.
Ihr haschet nur nach Rauch und Dunst
Und nicht nach Wissenschaft und Kunst;

Drum gilt bei euch der Gauch und Tropf
Mehr als der Weise und der Kopf.
Der Jüngling sitzt beim Wein so kalt,
Als wär er achtzig Jahre alt
Und säße auf der Alpen Höh

Mit bloßem A . . . im ew'gen Schnee.
Ist's Wunder, wenn man euch entehrt,
Als wenn ihr Yahoo wärt?
Schnipst euch der Sachs und Brenne doch
Verächtlich unters Nasenloch.

O denkt einmal im Ernste nach,
Was einst Bohemus von uns sprach:
D e r S c h w a b e w i r d e r s t s p ä t g e s c h e i t.
Ach denkt daran, 's ist hohe Zeit.
Seid klug, schon vor den vierzig Jahren,

Wie's eure braven Väter waren.
Wie schön, wenn einst der Enkel spricht:
Die Narrenkappe paßt mir nicht.


Christian Friedrich Daniel Schubart schrieb dieses Gedicht 1775. Er war schwäbischer Freiheitskämpfer und ein Weggefährte von Friedrich Schiller. Schiller besuchte ihn als Gefangenen auf dem Hohen Asperg.

Mehr über die Biographie von Schubart lesen sie bei
B I B L I O T H E C A A U G U S T A N A

Mittwoch, 26. Januar 2005

Der Rattenfänger von Hameln

»Wer ist der bunte Mann im Bilde,
Er führet Böses wohl im Schilde,
Er pfeift so wild und so bedacht;
Ich hätt mein Kind ihm nicht gebracht!«

In Hameln fochten Mäus und Ratzen
Bey hellem Tage mit den Katzen,
Es war viel Noth, der Rath bedacht,
Wie andre Kunst zuweg gebracht.

Da fand sich ein der Wundermann,
Mit bunten Kleidern angethan,
Pfif Ratz und Mäus zusamm ohn Zahl,
Ersäuft sie in der Weser all.

Der Rath will ihm dafür nicht geben,
Was ihm ward zugesagt so eben,
Sie meinten, das ging gar zu leicht
Und wär wohl gar ein Teufelsstreich.

Wie hart er auch den Rath besprochen,
Sie dräuten seinem bösen Pochen,
Er konnt zuletzt vor der Gemein
Nur auf dem Dorfe sicher seyn.

Die Stadt von solcher Noth befreyet,
Im großen Dankfest sich erfreuet,
Im Betstuhl saßen alle Leut,
Es läuten alle Glocken weit.

Die Kinder spielten in den Gassen,
Der Wundermann durchzog die Strassen,
Er kam und pfif zusamm geschwind
Wohl auf ein hundert schöne Kind.

Der Hirt sie sah zur Weser gehen,
Und keiner hat sie je gesehen
Verloren sind sie an dem Tag
Zu ihrer Aeltern Weh und Klag.

Im Strome schweben Irrlicht nieder,
Die Kindlein frischen drin die Glieder,
Dann pfeifet er sie wieder ein,
Für seine Kunst bezahlt zu seyn.

»Ihr Leute, wenn ihr Gift wollt legen,
So hütet doch die Kinder gegen,
Das Gift ist selbst der Teufel wohl,
Der uns die lieben Kinder stohl.«

(Ludwig) Achim von Arnim wurde heute vor 224 Jahren geboren. Bekannt ist er vor allem durch seine mit Clemens Brentano herausgegebene Sammlung "Des Knaben Wunderhorn", mit vielen Kinderreimen und Abzählversen, die bald jeder kennt. Mehr dazu lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Dienstag, 25. Januar 2005

Zwillinge

Zwilling gehn durch dünn ond dick,
hend au schnell en Standardtrick.
Weil se emmer zammastecket,
mitanander Stroich aushecket,
tun se auf Verwechslung setza,
zammaheba, jo net pätza.


Jungen Eltern für ihre Zwillinge gewidmet. Die werden sich noch wundern, ob der Dynamik und Kreativität der Zwillinge.

Selbst als Zwilling aufgewachsen, weiß ich aus heiterem Erfahrungsschatz zu schöpfen.

Es war ein Stahlknopf

Es war ein Stahlknopf irgendwo,
Der ohne Grund sein Knopfloch floh.
(Vulgär gesprochen: Es stand offen.)
Ihm saß ein Fräulein vis-à-vis.
Das lachte plötzlich: Hi hi hi.
Da fühlte sich der Knopf getroffen
Und drehte stumm
Sich um.

Solch Peinlichkeiten sind halt nur
Die schlimmen Folgen der Natur.

Über 600 Gedichte von Joachim Ringelnatz finden Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Montag, 24. Januar 2005

Märzveilchen

Hans Christian Andersen
Deutsche Übersetzung : Adelbert von Chamisso

Robert Schumann

Op. 40

Der Himmel wölbt sich rein und blau,

Der Reif stellt Blumen aus zur Schau.

Am Fenster prangt ein flimmernder Flor,

Ein Jüngling steht, ihn betrachtend, davor,

Und hinter den Blumen blühet noch gar

Ein blaues, ein lächelndes Augenpaar,

Märzveilchen, wie jener noch keine gesehn.

Der Reif wird, angehaucht, zergehn.

Eisblumen fangen zu schmelzen an,

Und Gott sei gnädig dem jungen Mann.


Veilchen zeigen sich noch nicht im Garten, aber Schneeglöckchen und Primeln, wenn die leichte Schneeschicht wieder schmilzt.




Andersen schrieb außer seinen weltbekannten Märchen auch einige Gedichte. Mehr dazu lesen Sie bei Gutenberg.Spiegel.de.

Sonntag, 23. Januar 2005

Hänschen Schlau

»Es ist doch sonderbar bestellt,«
Sprach Hänschen Schlau zu Vetter Fritzen,
»Daß nur die Reichen in der Welt
Das meiste Geld besitzen.«

Ein kurzes Sinngedicht von Gotthold Ephraim Lessing, der gestern vor 276 Jahren geboren wurde. Mehr Werke und Gedichte von Lessing können Sie wie immer bei Gutenberg.Spiegel.de lesen.
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